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  • AutorenbildBritta

Drei Figuren, in Beziehung zueinander

Aktualisiert: 14. Juli 2020

Ich höre ihn von Vätern und Kindern sprechen. Er spricht von sich als dem Vater seiner Kinder. Kinder, denke ich, und schaue den Mann an, der etwas entfernt steht, einzelne Worte unseres Gesprächs erreichen ihn, ich sehe es an seiner Verwunderung. Der Vater seiner Kinder, in diesen Zeiten, sagt er, baut Häuser für sie. Er sieht an mir vorbei. Ich nehme ein Zögern wahr. Ich fühle mich gestärkt. Ich hoffe, er nimmt es an sich wie einen fremden Gegenstand. Ich wiege meinen Kopf, in der Frage, die zwischen uns steht, ich will mich erklären, ich suche nach einem Anfang, ich neige meinen Kopf, schweife ab, stumm. Eine Vorstellung, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, abzuhelfen, wie wir sind. Vielleicht, denke ich, hört er gerade seine eigene Stimme, hört sich darüber sprechen, was er einmal tun will. Er wiederholt seinen letzten Satz, wie er manches wiederholt, spricht von Norden, Süden, Osten, Westen. Eine Fahrt mit der Straßenbahn, sagt er, eines Tages, Richtung Norden, bis der Zug schließlich hält. Ich stelle mir vor, wie der Zug hält, an den Ausläufern im Norden der Stadt, die sie durchquert haben. Ich sehe sie vor einem Grundstück stehen, Vater und Tochter, vor einer leeren Fläche, ein Schild darauf. Sie haben vergessen, dass sie in den Norden gefahren sind. Sie denken an den Weg bis hierher, nachdem sie aus der Straßenbahn ausgestiegen sind. Du sollst nicht denselben Fehler machen, sagt er zu ihr. Er wiegt seinen Kopf in Erinnerungen. Sie sind allein, ich aber stelle mir drei Figuren vor, warme Stellen in einer Winterlandschaft. Sie stehen still, als wüssten sie sich als die Teile eines Bildes. Er spricht über seinen Vater, spricht über ihn als Vater. Er wiederholt die Worte des Vaters. Ich, denke ich, weiß sie nicht, die Worte der Mutter. Ich lese, was in kleiner Schrift Postkarten füllt, am oberen Rand sind sie mit Zahlen versehen. Sie treffen in kleinen Stapeln ein, liegen eine Weile vor mir auf dem Tisch. Sinnsprüche geben zu sprechen vor, ein Leben im richtigen Licht, sie wechseln mit den Jahreszeiten. Anleitungen für jedermann, sei glücklich. Sie geben sich als Erfahrung aus, über die Jahre wiederholen sie einander, zeitlos. Ich weiß keinen Ort für sie, so füllen sie Zwischenräume, ich finde einzelne Karten am Boden einer Schublade, eine abgebrochene Zahlenreihe. Auf der Rückseite, in ihrer Schrift, dieselben Worte, seit Jahrzehnten. Zwei Namen stehen darunter, von einer Hand geschrieben. Ich stehe am Fußende des Bettes, es ist Nacht, ich muss aufgewacht und in dieses Zimmer gegangen sein. Ich sehe sie dort liegen, ich fasse Mut und sage etwas, leise. Ich will sie ansprechen, ich bitte sie aufzuwachen. Das Mondlicht fällt herein, es liegt um mich. Ich spüre den rauen Teppich unter meinen nackten Füßen, ich kann nicht fortgehen, ich rufe immer lauter, ich treibe fort, ich rufe so laut ich kann. Ich nehme alles fort. Es ist ein Bild, in dem ich übrig bleibe. Vielleicht bilde ich die geometrische Mitte.






Copyright Text übertage - texte aus dem off, Juli 2020

Copyright Fotografien CJBauer (aus der Serie: Inside the gates of eden)

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